Leo Grellers Verrat auf dem Land [Vom Freiheitskämpfer zum Freiheitsdämpfer]


Neben einer großen Anzahl wunderbarer menschlicher Eigenschaften zeichnet sich der Berliner Provokationskünstler Leo Greller auch dadurch aus, in politischen Zusammenhängen lediglich über ein unterdurchschnittlich ausgeprägtes Gefühl für das rechte Maß zu Verfügen:
Er ist eben im positiven Sinne fanatisch, denn zum Glück steht er auf der Seite des Staates. Einmal mehr wurde ein unbequemer Provokateur vom Freiheitskämpfer zum Freiheitsdämpfer. Anyway ... !



Verrat durch 'Mutter Staat' ?

Auf welcher Seite der Gesellschaft würden Angehörige der 68er-Generation stehen, wenn sie heute jung wären ? Würden sie sich in alternativen Projekten wiederfinden ? Oder würden sie, da mittlerweile der 'Marsch durch die Institutionen' erfolgreich abgeschlossen wurde, als Teil expandierender Behörden die Bürger bemuttern, um sie 'vor sich selbst zu schützen' ? Dieser und anderen delikaten Fragen widmet sich die neue Hörspiel-Satire 'Gewalt geht immer'.

Leo Greller im Hörspiel 'Gewalt geht immer' In ihr wird das Dilemma des politisch korrekten Liedermachers Leo Greller beschrieben, der seit Jahren fester Bestandteil der modernen 'linken Szene' Berlins ist. Ganz besonders lässt sich dieser Künstler von der zeitgemäßen Version des Matriarchats als allumsorgendes und machtvolles Staatswesen inspirieren. In 'Gewalt geht immer' hat Greller die schwere Gewissensentscheidung zu treffen, ob er seine linken Freunde verrät, indem er vertrauliche Informationen ihres autonomen Wohnprojekts an Vertreter der inneren Sicherheit weitergibt, was das sichere Aus für die alternativen Aussteiger bedeuten würde.
Gerade das Berliner Publikum weiß aus Erfahrung, dass der hochsensible Sänger und Aktionskünstler Leo Greller zu skurrilen oder zumindest hochneurotischen Handlungen neigt. Hierfür lieferte er bereits in den Jahren 2003 in 'Abgesang auf Leo G.' (mit Nina Ernst und Tom Wlaschiha) und 2006 in 'Groupiedämmerung - Ein Abend im Hickhack' (mit Ades Zabel und Laurent Daniels) reichlich Anschauungsmaterial. Es steht daher zu befürchten, dass der Ex-Hamburger die Mitverantwortung für die gewaltsame staatliche Räumung des autonomen Wohnprojekts 'Sonnenschein' durch den Missbrauch des Vertrauens gegenüber seinen dortigen Freunden auf sich laden wird. Vielleicht besinnt sich der einstmalige Sympathiebolzen 'von der Waterkant' ja doch noch - aber wem wäre damit eigentlich geholfen ?


'Wichtigtuer-Airlines'

Im nordöstlichen Brandenburg besuchte der bekannte Liedermacher und linke Politaktivist Leo Greller seine neuen Freunde in ihrem autonomen Wohn- und Lebensprojekt 'Gut Sonnenschein'. Nachdem er wieder abgereist war, bekamen die Alternativen Besuch von einer Eingreiftruppe des Innenmysteriums und wurden geräumt. Leo muss sich nun unberechtigter Kritik stellen.

Aus seinem Tagebuch: "Früher bin ich ja eigentlich nie verreist. Schon gar nicht ins Ausland. Ich fand Reisen so lächerlich und überflüssig und habe daraus auch keinen Hehl gemacht – ich hatte eben ganz klar den Zusammenhang erkannt zwischen der Tatsache, dass die Deutschen Weltmeister im Reisen sind und gleichzeitig nachweisbar auch eines der dümmsten Völker auf diesem Planeten. Zu diesem Schluss musste man meiner Meinung nach kommen, wenn man sich den Zustand des Landes vor Augen hielt: Überschuldung, Überalterung, Überbetonung des 'Ichs'. Ich hatte seinerzeit sogar als Aktion der Lufthansa vorgeschlagen, auf ihre Flugzeuge statt ihres Namens das Statement 'Wir-sind-wichtig' zu schreiben, damit sich ihre Kunden noch mehr hätten bestätigt sehen können. Aber das hielten die wohl für keine so gute Idee und die Presse hatte meinen Vorschlag auch nicht aufgegriffen.
Damals hatte ich noch nicht das Vertrauen in unsere politischen Führer, das ich heute habe - nach diesem Vorfall in Moabit als ein paar angebrütete Typen versucht hatten, mich nach einem Auftritt in `nem angesagten Nachtclub mit Gewalt zum Schweigen zu bringen. Ich hatte wohl wieder mal mehr als nur einen freiliegenden Nerv getroffen und letztlich konnten die mir natürlich keinen Maulkorb verpassen. Aber irritiert hat´s mich schon und als ich im Zuge des danach fälligen Gerichtsverfahrens zum ersten Mal in meiner Karriere intensiver Kontakt zu den Experten für innere Sicherheit hatte, ging mir ein Licht auf, wem wir es in diesem Land eigentlich zu verdanken haben, dass die Menschen nicht alle gegenseitig aufeinander losgehen und sich tothauen. Ich halte mit meiner neuen Erkenntnis auch nicht hinterm Berg. Nur dass man mir anscheinend nicht abnimmt, dass es mir damit tatsächlich ernst ist, aber das ist genaugenommen nicht mein Problem.
Ungefähr zu dieser Zeit hatte ich gerade einen hartnäckigen Fanclub bei facebook und als mir da ein paar ulkige Typen vorschlugen, ich solle einen kleinen Kreativurlaub auf ihrem sanierten autonomen Bauernhof im Norden von Brandenburg machen, dachte ich mir, das wäre mal etwas anderes. Insgesamt war´s eine schöne Erfahrung, aber richtig abschalten konnte ich insofern nicht als ich natürlich nicht ausblenden konnte, dass diese lustigen und fröhlichen Leute von 'Gut Sonnenschein' mit ihrem Tun und Nichtstun und sich gegenseitig helfen und keine Steuern zahlen die Solidarität zu den Menschen aufkündigten, die´s nicht so gut und leicht und flockig im Leben getroffen hatten, wie sie im schönen und menschenleeren Norden von Brandenburg – die Ausgegrenzten, die darauf angewiesen sind, dass der Staat sie finanziell unterstützt. Wenn da immer mehr aussteigen aus der Solidargemeinschaft, wird’s schnell eng mit der Unterstützung für die Schwachen und Benachteiligten. Das geht gar nicht."


Political Correctness

Aus Leo Grellers Tagebuch:

Landleben im Hörspiel 'Gewalt geht immer'"Was ist denn eigentlich politisch korrekt ? Ich würde es wirklich gerne wissen und mich danach richten. Ich hätte sehr gerne mehr Harmonie in meinem Leben. Wenn ich meinem guten Freund Ludo zuliebe und auch weil es ein guter PR-Gag ist die Aktion 'Dudelstopp' unterstütze, muss ich dann für oder gegen offensiven Musikeinsatz sein ? Vor ein paar Jahren traten die Macher dieser Aktion noch gegen unfreiwilliges Musikhören im öffentlichen Raum ein, in Kaufhäusern, Wartezimmern, Telefonschleifen und so. Und heute arbeiten die mit der Beschallungsindustrie zusammen und fragen 'Dudelstopp – wollen wir wirklich Friedhofsruhe ?'. Eine Drehung um 180 Grad oder um 360 ? Muss man, wenn man was Bestimmtes will, in der Öffentlichkeit und vor den Medien heute das Gegenteil sagen von dem, was man denkt, um weiterzukommen ?
Wenn ich vor Publikum im Kunsthaus Tacheles erzähle 'die Meinungsfreiheit in Deutschland ist gewährleistet', dann lachen die Leute und halten es für subtile Satire. Das ist aber gar nicht so gemeint. Ich bin doch der lebende Beweis dafür, dass wir kein Meinungsdiktat und keine Denkverbote in unserem Land haben. Wenn ich dann vorm Publikum nachsetze mit 'Das meine ich ernst', dann halten die die Leute für zwei, drei Sekunden kurz inne, um dann aber umso lauter und überzeugter weiterzulachen. Die gehen davon aus, dass Politiker heute Satire machen und Satiriker Politik. Das kann einen schon verwirren. Und so gesehen ist es kein Wunder, dass wir auf Gut Sonnenschein aneinander vorbeigelebt und vorbeigeredet haben. Vera, Kevin und die anderen hielten das für einen ganz schrägen Scherz als ich ihnen sagte, ich unterhielte neuerdings einen engen Kontakt zu den Spezies für Inneres. Kann ich was dafür, wenn die mich nicht ernstnehmen ?
Es war eben kein Scherz. Und niemanden, der meine Karriere ein bisschen verfolgt hat, wird das wirklich überraschen. Meine Lieder habe ich schließlich aus Überzeugung immer vor allem für Frauen geschrieben. Deshalb hat mich das Feuilleton ja oft genug auch als 'Frauenversteher' abgetan. Damit konnte ich gut leben – kein Problem ! Ich hab´ trotzdem jeder und jedem, die es hören wollten, bestätigt, dass ich für´s Matriarchat bin – was Besseres kann der Menschheit gar nicht passieren: Keine Kriege mehr, weniger Aggressionen und kuschelige wohlige Wärme in Mutters Schoß. Auf´s Politische übertragen heißt das, und das kann sich ebenfalls jeder an den Fingern abzählen, dass ich für einen starken, fürsorgenden Staat bin – einen weiblichen eben. Und diesem Staat, wie wir ihn schon fast erreicht haben, dabei zu helfen, seine Feinde auszukundschaften, damit er sich ihnen verstärkt zuwenden und sie besser erziehen kann, ist schließlich eine Aufgabe, der ich mich nicht entziehen konnte und wollte als man mich bat, ihm Informationen über diese Sozialverweigerer zu liefern."


Undankbarkeit

Aus Leo Grellers Tagebuch:

Hörspiel 'Gewalt geht immer'"Man braucht eine gewisse Größe, wenn man Leuten sehr geholfen hat und die einen dafür hassen. Da ist es besser, wenn man vorher im Leben bereits einen guten Vorrat an Applaus angesammelt hat. Das habe ich zum Glück in meiner Eigenschaft als politischer Aktionskünstler, denn die Rede ist natürlich von mir. Leo Greller ist sowieso weniger eine Person als vielmehr eine Einstellung. Eine Einstellung, die auf Aufrichtigkeit basiert, allen Schmähreden, die da garantiert jetzt im Internet bei den selbsternannten Freidenkern kursieren, zum Trotz. Ich war ehrlich zu den lieben Leuten vom 'Gut Sonnenschein'. Da muss ich mir nichts vorwerfen lassen. Ich bin immer ehrlich, das gehört alleine schon zu meinem Beruf.
Auch wenn man und frau von dieser aufgeflogenen Kommune 2.0 jetzt enttäuscht von mir sind - missbrauchtes Vertrauen, zerplatzte Illusionen und so - sind sie doch trotzdem gut damit gefahren, dass ich den Job erledigt habe, der unausweichlich war. Sie hatten ihre Chance, sie hätten mich ja überzeugen können. Oder mir zumindest was vorspielen, das hätte ich auch nicht so genau genommen, denn das hätte mir immerhin bewiesen, dass zumindest ein Bewusstsein dafür vorhanden gewesen wäre, was die Gemeinschaft, was der Staat von solch einem Projekt erwartet. Aber Fehlanzeige: Die Frauen haben gekocht, genäht und die Kleinen unterrichtet, die Männer haben geschraubt, angebaut und sind im Netz gesurft – also finsterstes Mittelalter, was die Rollenverteilung anging. Und die Kinder mussten das alles mit ansehen: die Jungs haben gebastelt und miteinander gerauft, die Mädchen die Tiere gefüttert und mit Puppen gespielt. Vollkommen ungegendert. Na, gut: und der liebe Leo hat das alles beobachtet und seiner Chefin davon berichtet. Ist ja wohl besser als wenn rechte Schläger oder linke Chaoten gleich das Geschäft für´s Mysterium erledigt hätten, oder ?
Die sind trotz allem gut mit mir gefahren."



Voltaire und Schopenhauer

Aus Leo Grellers Tagebuch:

"Ich hatte und habe nichts zu verbergen. Ich habe nichts Ungesetzliches getan. Im Gegenteil. Selbstverständlich interessiert mich, was aus meinen Freunden von `Gut Sonnenschein´ geworden ist. Ich hatte sie damals so ganz plötzlich verlassen, denn ich hatte die Eingebung für ein neues Projekt in der Hauptstadt. Zwei Tage nachdem ich gegangen war die Eingreiftruppe des Innenmysteriums und haben das Gut geräumt. Es ging anscheinend nicht anders. Aber an mir lag es nicht, dass es so weit kommen musste. Was passiert ist, war sicher hart für meine ehemaligen Freunde, aber unausweichlich. Mandys Baby muss jetzt ohne Vater aufwachsen. Immerhin besagt eine neue Studie aus dem Familienmysterium, dass es sowieso besser für Kinder ist, ohne patriarchalen Einfluss großzuwerden. Ich hatte die ganzen Vorgänge in der Presse verfolgt. Ich konnte den Leuten von `Gut Sonnenschein´ und insbesondere Vera leider nicht helfen. Ich hatte den Auftrag, dem Mysterium über Sie zu berichten. Das heißt aber nicht, dass ich mir diesen Ausgang gewünscht hätte. Wenn die Verantwortlichen sich entschlossen haben, das Gut zu räumen, gab es offenbar keine andere Lösung. Vera und die anderen wollten ja nicht mit ihnen reden. Sie waren auf einem ganz falschen und potentiell sehr gefährlichen Trip. Ich habe dazu beigetragen, dass sie davon abgebracht wurden und ich würde es wieder tun.
Sie haben Thang und Julia aus der Schule genommen und selber unterrichtet. Und dann auch noch Voltaire und Schopenhauer – die Bücher lagen bei ihnen rum ! Das war schon sehr kritisch. Sie haben eine eigene Verfassung kreiert und gemeinsam an einem eigenen simplen und humanem Rechtssystem gearbeitet. Wenn das richtig publik geworden wäre und Nachahmer gefunden hätte, hätte es viel Unglück und Leid in Deutschland verursachen können. Aber dass sie alle keine Steuern gezahlt haben, weil sie sich als autonomer und friedlicher Staat sahen, hat ihnen schließlich das Genick gebrochen. Das lag jedoch sicher nicht daran, dass ich dem Mysterium die Informationen, die es ohnehin schon über sie gesammelt hatte, nochmal bestätigen musste. "



Nach wie vor ein Linker

Aus Leo Grellers Tagebuch:

Männliche Idylle auf `Gut Sonnenschein´"Von der gefährlichen Signalwirkung, die von Menschen wie meinen damaligen Freunden vom `Gut Sonnenschein´ ausging, die sich aus der staatlich organisierten Solidargemeinschaft verabschiedeten, brauchte mich niemand zu überzeugen. Dass ich meine Erkenntnisse als V-Mann an die entsprechenden Expertinnen weitergeleitet habe, war daher nur konsequent. Ich habe dafür kein Geld genommen. Ich bin Ende dreißig - ich verkaufe meine Überzeugungen nicht für einen Scheck mit ein paar Nullen. Aber meine Freunde wären höchstwahrscheinlich eine Gefahr geworden, wenn sie weitergemacht hätten. Ich habe also meine Beobachtungen weitergegeben. Und es ist nicht so, dass ich ihnen dabei nicht wohlgesonnen war: Wenn ich Anzeichen erkannt hätte, dass es bei ihnen Strömungen gab, die sie früher oder später mit der staatlichen Ordnung wieder hätten versöhnen könnten, hätte ich die genauso weitergegeben und ich hätte mich darüber gefreut, weil ich sie alle und auch die Grundidee von ihrem Projekt sehr sympathisch fand.
Ich bin schließlich nach wie vor ein Linker: Wir sind eben angekommen - Unsere Leute sitzen jetzt in den Mysterien und verdienen unsere Unterstützung, weil sie genau das Richtige tun und das Richtige wollen: Die Menschen vor sich selbst, vor anderen und vor der Globalisierung beschützen. Labile Menschen hätten aus der scheinbaren Idylle von `Gut Sonnenschein´ die falschen Schlüsse ziehen und so die Sicherheit in ihrem Leben auf´s Spiel setzen können. In meinen Liedern habe ich nicht umsonst oft über bessere weibliche Welten gesungen: 'Beate zeigt´s den Chauvies', 'Mama, gib mir mehr davon !' ... Das waren bezeichnenderweise die einzigen Stücke, die bei den Leuten vom Gut nicht so besonders ankamen. Dabei steht das Matriarchat steht für den totalen Schutz und die totale Fürsorge. Übertragen auf die Gesellschaft bedeutet das einen starken Staat, der uns alle bemuttert und vor uns selber schützt. Moderne Politik ist eindeutig feminin. Deshalb fühle ich mich in Deutschland und Europa wohl und deshalb weiß ich auch, was ich unseren Oberen schulde. "


Gebrochenes Genick

Aus Vera Warkentins abgehörten Telefonaten:

Künstler- und Staazi-Zuträger Leo Greller vor dem brandenburgischen 'Gut Sonnenschein'"Ich wusste nicht, ob Leos Telefonnummer stimmt. Ob er uns damals seine richtige Nummer gegeben hatte als er weggegangen war. Ich wollte mit ihm sprechen und ihm erzählen, wie´s uns so geht nach der Stürmung von `Gut Sonnenschein´. Das interessierte ihn doch hoffentlich ? Er hatte 'Gut Sonnenschein' damals so ganz plötzlich verlassen. Wegen eines Projekts. Wegen seiner wunderbaren Projekte hatten wir ihn letztes Jahr nach 'Sonnenschein' eingeladen. Bei der Abstimmung gab es keine Gegenstimme. Wir waren alle überzeugt von ihm und seiner Aufrichtigkeit. Zwei Tage nachdem er gegangen war, kamen die Staazis oder wie er sie inzwischen nennen würde 'die Eingreiftruppe des Innenmysteriums' und haben das Gut geräumt. Nicht gerade sehr zimperlich - sie haben alles zerstört. Sie haben uns nichts gelassen. Ich würde sagen, Leo hat seinen Teil dazu beigetragen.
Jessica und Thang wurden verhaftet. Kevin hat sich das Leben genommen. Mandys Baby wird jetzt also ohne Vater aufwachsen. Ich bin inzwischen zumindest auf Bewährung wieder auf freiem Fuß. Fest steht inzwischen: Die Informationen, die dem Mysterium als Vorwand für den Sturm auf 'Gut Sonnenschein' gedient haben, kamen von Leo. Das wissen inzwischen alle. Er hatte eindeutig den Auftrag, dem Mysterium über uns zu berichten.
Aber was war denn so gefährlich an uns auf Gut „Sonnenschein“ ? Dass wir uns von ökonomischen Zwängen befreit hatten ? Dass wir Lebensmittel selbst angebaut haben, dass wir das, was wir nicht selber herstellen konnten, über das Internet getauscht haben ? Dass Thang und Julia ihre Kinder aus der Schule genommen und selber bei uns unterrichtet haben ? Dass wir eine eigene Verfassung kreiert und gemeinsam an einem eigenen simplen und humanem Rechtssystem gearbeitet haben ? Dass wir alle keine Steuern gezahlt haben, weil wir uns als autonomer und friedlicher Staat sahen ? Wahrscheinlich hat uns DAS das Genick gebrochen. Schlimmer für mich war aber Leos Überzeugung, dass wir – Jessica, Thang die anderen und ich – dass wir eine Gefahr für die Gesellschaft waren, so wie wir gelebt haben.
Er und das Mysterium waren tatsächlich besorgt, ob die paar Bewohner eines kleinen Fleckchens Erde im Brandenburgischen Niemandsland über´s Internet oder sonstwie anderen hätte vorführen können, dass freie Menschen auch ohne die Segnungen der Verwaltungen in der Hauptstadt überleben und sogar ganz gut auskommen können. Auch wenn diese Vorstellung nicht zu dem Outsider-Image passte, das Leo jahrelang als Sänger und Künstler kultiviert hatte.



Ersatzmutter 'Staat'

Aus Vera Warkentins Tagebuch:

Hörspiel 'Gewalt geht immer'"Ausgerechnet Leo Greller, der Liedermacher, der in linken Anarchokreisen einen tadellosen Ruf als Spießerschreck und Moralapostel genoss. Ich weiß nicht mehr, wer vom Gut eigentlich auf die Idee kam, ihn für ein paar Wochen zu uns einzuladen. Wahrscheinlich kam der Kontakt über irgendein Internet-Forum für Künstler und Freigeister zustande. Jessica hatte schon recht gehabt, als sie bei unserem Einzug ins Gut vorschlug, dieses weltweite Fangnetz außen vor zu lassen. Aber damit kam sie bei den Männern natürlich nicht durch, bei Daniel, Thang und den anderen: 'Fairer Tauschhandel funktioniert nur über´s Netz'. Von wegen ! Die waren sicher nur spitz auf ihre scharfen Seiten. Als ob wir nicht genug moderne und aufgeschlossene Frauen auf dem Gut gewesen wären – real und in echt, analog eben ! Wir hatten schließlich auch noch was anderes im Kopf als Heim und Herd. Und für die Kommunikation mit der Außenwelt hätte sich sicher ebenfalls noch `ne alternative Lösung finden lassen, ohne dass wir auf Brieftauben hätten zurückgreifen müssen. Wir Frauen hätten Jessica damals mehr unterstützen sollen gegen diese offene Leitung nach 'Sonnenschein' – nun ist es zu spät und Herr Greller darf sich von den Siegern feiern lassen, dieser Opportunist. Haben die bei ihm 'ne Gehirnwäsche gemacht, hat er zu viele Pilze gegessen oder wie ist es bloß möglich, dass jemand so eiskalt die Seiten wechselt und zum Verräter wird ?
Kurz bevor er festgenommen werden konnte, hat Kevin Selbstmord begangen. Er war der idealistischte von uns allen. Und der Vater von Mandys Tochter, die jetzt bald geboren wird. Neben ihrer Trauer ist Marndy sicher auch wütend auf ihn, dass er sie mit Mia alleine gelassen hat. Aber dass die Staatsbüttel sich so entblößen und mit nackter Gewalt ein so einzigartiges Projekt wie unseres sprengen würden, hat Kevin auf einen Schlag sämtliche Zuversicht für die Zukunft geraubt. Er hatte wohl immer noch die Hoffnung gehabt, dass wenn die Oberen erst einmal bemerkt hätten, wie wunderbar es auf unserem Gut läuft, wir über Kurz oder Lang auch ihren Segen bekommen hätten – aber das hätte natürlich Vertrauen in die Untertanen vorausgesetzt ! Kevin hatte sich in der kurzen Zeit auf 'Gut Sonnenschein' einfach noch nicht von der Ersatzmutter 'Staat' lösen können. Da ist er aus dem Fenster im zweiten Stock gesprungen als der Sturm begann – mit dem Kopf voran. Er hat wohl vorausgesehen, was freiheitsliebenden Menschen in diesem Land bald noch blühen wird.
Und dabei hat er damals noch nicht einmal gewusst, dass unser Gast Leo der Verräter war. Ein V-Mann, der sich nicht damit begnügt hat, einfach Beobachtungen weiterzugeben, sondern der wahrscheinlich noch Sachen dazugedichtet und selber Ankläger gespielt hat. Dem würde ich inzwischen alles zutrauen, dem schrägen Abstinenzler ! "



Glückliche Sklaven als Freiheitsfeinde

Aus Vera Warkentins Tagebuch:

Vernehmungszimmer im Hörspiel 'Gewalt geht immer'"Mein Leben hat sich schon mal besser angefühlt. Ich habe Freunde verloren, einen sogar für immer. Ich saß im Gefängnis und muss dem Bewährungshelfer jetzt auch noch vorspielen, dass ich künftig wieder eine gute Untertanin sein werde. Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich weiß auch nicht, ob ich das will.
Wenn es nur irgendjemand anderes gewesen wäre, den sie zu uns geschickt hätten, der sich unser Vertrauen erschlichen und uns dann verraten hätte. Ich glaube, das würde es mir wenigstens ein bisschen leichter machen. Ausgerechnet Leo Greller ! Das demoralisiert einen doch auf Jahre hinaus ! Dieser Prototyp eines unverstandenen und verkannten Poeten-Revoluzzers. Er war immer so nett, so echt, so harmlos. Es war für alle, die seinen Weg verfolgt hatten über die Jahre, die sich für seine Karriere interessiert hatten oder sich einfach in gemütlicher Runde damit schmücken wollten, ein paar schräge Titel oder Zitate von ihm zu kennen, klar, dass er nie den ganz großen Erfolg haben würde. Damit war nicht zu rechnen, da musste man nicht Medienwissenschaft für studiert haben, um das nahezu ausschließen zu können. Aber das machte ja gerade seinen Charme aus. Alle haben gedacht, für den großen Durchbruch sei er nicht korrumpierbar genug oder einfach auch nur zu wenig durchtrieben, zu ungeschickt.
Außerdem war ich immer davon ausgegangen, vorauseilender Gehorsam in punkto politischer Korrektheit und gesellschaftlicher Harmonie würde sich für alle schnell erkennbar durch ein leeres Hirn und Rumgeschwafel entlarven. Aber so verhielt es sich bei Leo nicht. Bei allem Schmerz, den er mitzuverantworten hat, könnte ich ihm das nicht nachsagen. Aber vielleicht das: „Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.“ Ich weiß nicht mehr, von wem genau das Zitat stammt: Von Esther Vilar ? Oder war´s doch Marie von Ebner-Eschenbach ? Ob Leo ein glücklicher Mensch ist ? Schläft mit mir drei Monate in einem Zimmer und nichts passiert ? Der totale Gentleman oder die totale Lusche ? Die Sorte Mann, von der Frauen träumen ? Wohl kaum. Eher die Sorte Mann, die den Gleichstellungsbeauftragten vorschwebt - vielen Dank."


Provokationskunst mit Leo Greller
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Hörspiel
'Stadt, Land, Schluss'
Realisiert von Hartmut Lühr
Im nordöstlichen Brandenburg besuchte der bekannte Liedermacher und linke Politaktivist Leo Greller seine neuen Freunde in ihrem autonomen Wohn- und Lebensprojekt 'Gut Sonnenschein'. Nachdem er wieder abgereist war, bekamen die Alternativen Besuch von einer Eingreiftruppe des Innenmysteriums und wurden geräumt. Leo muss sich nun unberechtigter Kritik stellen.
mit Monika Gossmann (Vera) und
Leo Greller (himself)
25 Min. | 24 MB | DOWNLOAD / PLAY





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Telefonat aus 'Stadt-Land-SChluss'
VERRAT

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Nordfeuchtes Skandalvideo (aus 'Gut gebrüllt, Leo!')
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Monika Gossmann.




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Monika Gossmann im Hörspiel 'Verrat auf dem Land'